„Mein Team und ich wollen eine Achillesferse viraler Krankheitserreger als Angriffspunkt für neue Medikamente ausnutzen“, sagt Neva Caliskan selbstbewusst, wenn man sie nach ihren wissenschaftlichen Zielen fragt. Viren haben es der in der Türkei aufgewachsenen Wissenschaftlerin seit jeher angetan, haben sie doch bemerkenswerte Tricks entwickelt, um sich im infizierten Wirt zu vermehren. „Viren wie SARS-CoV-2 sind extrem klein und bieten in ihrem Inneren kaum Platz – nicht einmal für ihr eigenes Erbgut“, erklärt Caliskan. Gleichzeitig gilt in der Molekularbiologie: „Ein Gen kodiert für ein Protein.“ Bei einigen Viren ist das aufgrund des Platzmangels aber anders. Hier kann ein Gen den Bauplan für zwei oder mehr Proteine bereitstellen.
„Wir wollen eine Achillesferse viraler Krankheitserreger als Angriffspunkt für neue Medikamente ausnutzen.”
Neva Caliskan
Dieses Phänomen schaut sich das Caliskan-Team deswegen ganz genau an. Um herauszufinden, welches Viren-Gen wann und wie abgelesen wird, bedarf es neuester Techniken, zum Beispiel sogenannter molekularer Pinzetten. Zwischen diese lässt sich das Erbgut quasi einspannen und untersuchen. Die Nutzung solcher Methoden an der Schnittstelle zwischen Biologie und Physik lassen Caliskans Augen leuchten, die Begeisterung ist ihr ins Gesicht geschrieben: „Bindet eine Substanz an das Viren-Erbgut und verändert seine Struktur, so können wir das mit unseren winzigen Pinzetten messen. Dies gibt uns Aufschluss, ob die Substanz das Ablesen der viralen Erbinformation behindern oder sogar blockieren kann und damit als mögliches Medikament taugen könnte.“
Aber nicht nur die Wissenschaft lässt ihr Herz höherschlagen, ist sie doch glücklich verheiratet und hat zwei Kinder. Nicht selten wird Neva Caliskan daher gefragt, wie sie Forschung und Familie unter einen Hut bringt. Der Clou sei, sich den Herausforderungen zu stellen, sagt sie: „Klar macht man nicht mal eben Karriere in der Wissenschaft, zieht Kinder auf und führt ein ausgeglichenes Familienleben. Aber ich mache alles mit Leidenschaft – und dann ist es eigentlich ganz einfach.“
