Wissenschaftler:innen des CIC bioGUNE (Derio, Spanien) haben ReChb in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Institut Würzburg (HIRI) entwickelt. Dieses neue CRISPR-Werkzeug ermöglicht eine flexiblere und präzisere Bearbeitung von Nukleinsäuren durch die Rekonstruktion einer Vorgängersequenz. Dieser Durchbruch, der kürzlich in Nature Biotechnology veröffentlicht wurde, hat das Potenzial, die Genomeditierung zu revolutionieren und Anwendungen in der Biomedizin, Gentherapie und molekularen Diagnostik zu verbessern.
Ein internationales Team von Wissenschaftler:innen unter der Leitung des Cooperative Research Center in Biosciences (CIC bioGUNE, Derio, Spanien) hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Biophysik der Universität des Baskenlandes (Leioa, Spanien) und dem Helmholtz-Institut Würzburg (HIRI) einen wichtigen Meilenstein im Bereich der Genomeditierung und Biotechnologie erreicht.
Unter Federführung von Raúl Pérez-Jiménez, Professor der Baskischen Stiftung für Wissenschaft und Leiter des Labors für Synthetische Biologie am CIC bioGUNE, wurde ein neues CRISPR-Werkzeug namens ReChb entwickelt. ReChb erweitert die Möglichkeiten bestehender Cas12a-Nukleasen und bietet eine größere Vielseitigkeit und Präzision bei der Modifikation und Erkennung von Nukleinsäuren. Dieser Fortschritt basiert auf der Rekonstruktion von Ahnensequenzen und ermöglicht, vor Millionen von Jahren ausgestorbene Proteine wiederherzustellen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Cas12a-Varianten benötigt ReChb keine spezifischen PAM-DNA-Sequenzen, so dass es Regionen des Genoms bearbeiten kann, die bisher unzugänglich waren. Darüber hinaus verfügt es über die einzigartige Fähigkeit, sowohl DNA als auch RNA erkennen und verarbeiten zu können, was sein Anwendungspotenzial erheblich erhöht. Dieses Werkzeug ist somit imstande, präzise genetische Veränderungen in menschlichen Zellen vorzunehmen. Da es doppelsträngige DNA, einzelsträngige DNA und RNA ohne spezifische Sequenzen abbauen kann, zählt es zu den vielseitigsten Technologien seiner Art.
Breites Spektrum von Anwendungen
ReChb überwindet nicht nur die Grenzen herkömmlicher CRISPR-Werkzeuge, sondern eröffnet vielseitige Anwendungsmöglichkeiten in zahlreichen Bereichen – von der biomedizinischen Forschung und Gentherapie bis hin zur präzisen molekularen Diagnostik. Seine Fähigkeit, durch verschiedene Arten von Nukleinsäuren aktiviert zu werden, macht es zu einem unverzichtbaren Werkzeug zur Behandlung genetischer und viraler Erkrankungen.
„Die neue ReChb-Nuklease weist molekulare Eigenschaften auf, die mit keiner anderen Enzymdesigntechnik erreicht werden konnten, wodurch sie zu einem idealen Werkzeug für eine Vielzahl medizinischer und biotechnologischer Anwendungen wird,“ sagt Raul Pérez-Jiménez.
ReChb wird bereits in der Forschung zu Amyotropher Lateralsklerose (ALS) eingesetzt, um Fortschritte bei der Diagnose und Behandlung dieser neurodegenerativen Krankheit zu erzielen. Seine Flexibilität und Präzision bei der Erkennung und Bearbeitung von Nukleinsäuren eröffnen neue Möglichkeiten bei der Erforschung von ALS und anderen komplexen Krankheiten, da es potenziell jede genetische Veränderung korrigieren kann – auch solche, für die sich herkömmliche CRISPR-Techniken nicht eignen.
„Die einzigartige Vielseitigkeit von ReChb erweitert die Einsatzmöglichkeiten von CRISPR-Cas-Nukleasen und ermöglicht die Bearbeitung von ALS-Mutationen, die für aktuelle Genomeditierungssysteme schwer zu fassen sind“, erklärt Ylenia Jabalera, Postdoktorandin am CIC bioGUNE. In den Jahren 2023 und 2024 war Jabalera Gastwissenschaftlerin im Labor von HIRI-Abteilungsleiter Chase Beisel, der ebenfalls an der Studie beteiligt ist.
Dieser Fortschritt wurde durch die Unterstützung nationaler und internationaler Institutionen ermöglicht, darunter der Europäische Forschungsrat (ERC, von engl. European Research Council), das spanische Ministerium für Wissenschaft und Innovation, die baskische Regierung sowie Stiftungen wie FUNDELA. Ebenso trugen die Kryo-Elektronenmikroskopie-Ressourcen des CIC bioGUNE und des Instituts für Biophysik maßgeblich zur Erforschung von ReChb bei.
ReChb repräsentiert nicht nur einen Durchbruch in der Genomeditierung, sondern verdeutlicht auch das Potenzial der Vorläufer-Sequenz-Rekonstruktion zur Entwicklung biotechnologischer Werkzeuge mit einzigartigen Eigenschaften. Durch diese Technik konnte ein Protein entwickelt werden, dessen Funktionalität die aller modernen Cas12a-Varianten übertrifft und die Einsatzmöglichkeiten in Biotechnologie und Präzisionsmedizin erheblich erweitert.
Originalpublikation
Jabalera Y, Tascón I, Samperio S, López-Alonso JP, Gonzalez-Lopez M, Aransay AM, Abascal-Palacios G, Beisel CL, Ubarretxena-Belandia I, Perez-Jimenez Raul
A resurrected ancestor of Cas12a expands target access and substrate recognition for nucleic-acid editing and detection
Nature Biotechnology (2024), DOI: 10.1038/s41587-024-02461-3
Text: CIC bioGUNE (bearbeitet durch HIRI)
Foto: Adobe Stock / Jacqueline Weber